Edvard Munch
und das Unheimliche
16.10.2009 - 18.01.2010
Edvard Munch, einer der wichtigsten europäischen Künstler, steht im Mittelpunkt der großen Herbstausstellung des Leopold Museum. Munchs Werk ist von Liebe, Angst und Tod bestimmt. Die symbolgeladene Atmosphäre verleiht vielen seiner Werke eine unheimliche Komponente. Die Seelenzustände, die innere Zerrissenheit des Künstlers, manifestiert sich in drastischen Bildfindungen, wie etwa in den Werken "Angst" oder "Geschrei". Die Tragik in der sexuellen Beziehung wird im Bild "Der Vampyr“ deutlich. Die Frau mit roten, schlangenähnlichen Haaren, saugt ihrem "männlichen Opfer“ das Blut aus.
Die Ausstellung "Edvard Munch und das Unheimliche" spannt einen Bogen vom späten 18. Jahrhundert (Piranesi, Goyas "Caprichos") bis zum frühen 20. Jahrhundert. Sigmund Freud wird 1919 in seinem Aufsatz "Das Unheimliche“ die sprachlichen, künstlerischen und psychologischen Assoziationen untersuchen, die mit diesem Begriff in Zusammenhang gebracht werden.
Bildmotive, die uns beunruhigen, die schreckliche Vorkommnisse, Martyrien, den Tod oder Teufel zeigen, waren in der europäischen Bildtradition seit jeher vorhanden, man denke etwa an Albrecht Dürers "Ritter, Tod und Teufel" oder die symbolgeladenen Phantasien des Hieronymus Bosch. Während jedoch die Bildfindungen des Mittelalters, der Renaissance und des Barock von der christlichen Ikonographie bestimmt sind, entsteht in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Literatur, Bildender Kunst und Musik ein vermehrtes psychologisches Interesse am Unheimlichen, Unerklärlichen und Unfassbaren. Die Beschäftigung mit den schwer fassbaren Formen der Angst beflügelt die Phantasie der Künstler geradezu. Das Dunkle, Mysteriöse, die Schattenseiten des Lebens faszinieren Künstler ebenso wie Rezipienten.
Die berühmten 1745-1750 entstandenen "Carceri"des Giovanni Battista Piranesi bedrücken im 18. Jahrhundert durch die Stimmung des Unheimlichen und Unzugänglichen. Die "Nachtstücke" des vom britischen Gothic Movement beeinflussten Schweizer Malers Johann Heinrich Füssli, wie z.B. "Der Nachtmahr" (1781), gelten als Ikonen des Unheimlichen. Francisco de Goyas berühmte Radierung "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer"(um 1799) ist ein Schritt in ein neues Denken. Hundert Jahre später (1900) schreibt Sigmund Freud das epochale Werk, "Die Traumdeutung". Nach den meisterhaften Zyklen Goyas um 1800 sind vor allem die Werke der Symbolisten in Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien durchdrungen von unheimlichen Ideen. Am Ende dieser Reihe stehen die Künstler Edvard Munch, James Ensor und Alfred Kubin, deren Werke ihre eigenen übersteigerten Ängste und Seelenzustände in künstlerisch vollendeter Form dargestellt haben. Bisweilen erscheint, etwa bei Munch, das Bild zunächst nicht unheimlich, aber hintergründig ist das Beunruhigende spürbar, aus dem heraus es geschaffen wurde. Munch und andere waren fähig, das Verborgene sichtbar zu machen.
Egon Schiele hat in seinen frühen expressionistischen Jahren, 1911 und 1912, eine Reihe von beunruhigenden, mystischen Bildern geschaffen, wie zum Beispiel die "Offenbarung", "Tote Stadt", die "Selbstseher" und die "Eremiten", ein moderner Totentanz.
Die Ausstellung gibt einen tiefgreifenden Einblick in die seelischen Abgründe der künstlerischen Vorstellungswelten. Die "Visionen des Unsichtbaren" entführen in die Welt der (Alb-)Träume und Geister, in die Sphäre des Okkulten. Die Darstellungen der Ängste erzählen von Tod, Verlust, Sexualität oder auch vom "Bösen". Die "Symbole des Unterbewussten" werden hinter Masken entdeckt, am Ende und am Beginn von Treppen, in Spiegeln, oder in unergründlichen Wasseroberflächen. Die Macht der geheimen, unvorstellbaren Geschichten, faszinierte die Künstler in vielerlei Hinsicht. Ein wiederkehrendes Thema ist auch "Das unheimliche Heim": Verunsicherung, Angst und Gefahr brechen ein in das scheinbar Sichere, Vertraute der heimischen Umgebung.
Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen neben den Werken Edvard Munchs, (u.a. „Angst (Abends auf der Karl Johan Gate)", "Pubertät", "Das kranke Mädchen", "Madonna", "Selbstporträt in der Hölle") jene des Belgiers James Ensor, Bilder von Arnold Böcklin und Gustave Moreau oder Cuno Amiets Triptychon "Hoffnung und Tod", ein Schlüsselwerk des Symbolismus.
Die Querverbindungen zur Literatur der Zeit zeigen sich unter anderem in der Rezeption Edgar Allan Poes bei Ensor und Kubin oder in den Illustrationen Félicien Rops’ zu "Les Diaboliques" von Barbey d’Aureyville. Faszinierend sind die zu Georges Rodenbachs Roman "Brügge, die tote Stadt" entstandenen Arbeiten von Fernand Khnoppf oder Georges Minne.
Neben dem Munch Museum in Oslo, das mit über 30 Objekten Hauptleihgeber der Schau ist, sind u.a. das Musée Victor Hugo Paris, das Kunsthaus Zürich, das Nationalmuseum Oslo, das Museum voor Schone Kunsten Gent, das Museum Kröller-Müller in Otterlo, die Galleria d’Arte Moderna Turin, das Städel Museum Frankfurt und das Von der Heydt Museum Wuppertal weitere prominente Leihgeber.
Der 300 Seiten starke, durchgehend farbig illustrierte Katalog lässt Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler und Psychologen zu Wort kommen, die in ihren Aufsätzen unterschiedlichen Aspekten des Themas nachspüren: So werden die Bedeutung des Unheimlichen für das Schaffen Edvard Munchs oder James Ensors ebenso untersucht wie der Einfluss des Okkulten, des "Magnetismus" und "Mesmerismus" auf Künstler der Zeit. Das "Umkippen" der Idylle ins Erschreckende, Irritierende bei Max Klinger ist ebenso Thema wie das besondere Stilmittel des Zwielichts und seine Bedeutung. Den wahrnehmungs-psychologischen Ursachen, weshalb wir etwas als irritierend, angsteinflößend oder eben unheimlich empfinden, ist schließlich ebenfalls eine eigene Betrachtung gewidmet. Die Ausstellung erhält fraglos durch die Präsentation von so vielen großformatigen Hauptwerken von Edvard Munch ihr Gepräge und ihre Bedeutung.
Andererseits unterstreichen die Künstler James Ensor, der selten in Wien zu sehen ist, Alfred Kubin, Giovanni Battista Piranesi u.a. das Thema und erweitern den Blick auf die künstlerischen Spielarten der uneingeschränkten menschlichen Phantasie.
Star Dj Andrew Butler anlässlich seines Wien-Besucher zur Munch-Ausstellung im Falter:
...Noch sammelt er Eindrücke von der Stadt, schwärmt von der Votivkirche oder den Edvard-Munch-Gemälden in der Sammlung Leopold: „Vielleicht die beste Ausstellung, in der ich je war. Ich liebe dieses mystische Element in seinen Bildern, und irgendwie zieht sich dieses faszinierend Düstere durch die ganze Stadt."...
Munch Beitrag auf artmagazine.cc
Munch-Beitrag auf wien-heute.at
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