Leopold Museum: Wertvolle Schenkung aus bedeutender österreichischer Privatsammlung

12.07.2024

Die Kunstwerke – darunter herausragende Exponate von Egon Schiele, Richard Gerstl, Broncia Koller-Pinell, Tina Blau-Lang oder Anton Kolig – stellen eine essenzielle Ergänzung der Sammlung dar

Im Laufe einer vierzigjährigen, leidenschaftlichen Sammeltätigkeit ist es einem niederösterreichischen Ärztepaar gelungen, einen außergewöhnlichen Bilderschatz zusammenzutragen. Der Schwerpunkt der Kollektion liegt auf der Kunst der österreichischen Moderne. Das Leopold Museum freut sich außerordentlich über die großzügige Donation, welche die Sammlung nun um 37 Werke von 24 Künstler*innen bereichert. Es handelt sich bei den Exponaten größtenteils um Gemälde, aber auch Aquarelle und Zeichnungen sind Teil des Konvoluts.

Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger, der in den letzten Jahren eine vertrauensvolle Beziehung zu den Schenkenden aufbauen konnte, bemerkte anlässlich der wertvollen Schenkung: „Es ist großartig auf Menschen zu treffen, die ihre Sammelleidenschaft als Lebenswerk begreifen und sich dafür entscheiden, ihre Kollektion der Öffentlichkeit durch eine Schenkung zugänglich zu machen. Dies deutet auf ein ausgeprägtes philanthropisches Wesen der Donator*innen hin und passt in diesem speziellen Fall besonders gut zu einer vom ärztlichen Ethos geleiteten Vorstellung der Conditio humana als Grundbedingung menschlichen Lebens und Handelns. Diese Schenkung stellt eine essentielle Bereicherung unserer Sammlungsbestände dar und bedeutet zugleich die Verpflichtung zur Erfüllung der vornehmsten Aufgabe musealer Arbeit: die Werke zu bewahren, zu erforschen und unserem Publikum zu vermitteln.“

Die Neuzugänge fügen sich wunderbar in das Sammlungsprofil des Leopold Museum ein und stammen überwiegend von Künstler*innen, von denen sich bereits wichtige Exponate im Leopold Museum befinden. Die Werke dieser Schenkung in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages werden künftig im Rahmen der permanenten Sammlungspräsentation sowie punktuell im Zuge von Sonderausstellungen zu sehen sein.

Expressionismus: Schiele, Gerstl, Kokoschka

Von Egon Schiele, einem der wichtigsten österreichischen Expressionisten, von dem das Museum die weltweit größte und bedeutendste Sammlung besitzt, stammen zwei Ölgemälde: Ein 1907 entstandenes Selbstporträt, das den jungen Künstler mit langem Haar zeigt sowie ein Porträt von Schieles Onkel Leopold Czihaczek aus demselben Jahr. Ebenfalls Teil der Schenkung sind drei Schiele-Arbeiten auf Papier. Mit der Zeichnung Mädchen mit Haarmasche (1909), dem Aquarell Schwangere (1910) und einem weiblichen Akt aus dem Jahr 1917 sind Arbeiten aus wichtigen Schaffensphasen des Künstlers vertreten. Das Interieur mit Thonetstuhl schuf der bahnbrechende Pionier des österreichischen Expressionismus Richard Gerstl in seinem letzten Lebensjahr 1908. Die farbige Kreidelithografie Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler von Oskar Kokoschka entstand 1923. Das Motiv verwendete Kokoschka für das Plakat der Ausstellung im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich.

Der Nötscher Kreis: Kolig, Mahringer

Von Anton Kolig sind das Aquarell Märchen (um 1926) und zwei Männerakte Teil der Donation. Wie Kolig zählte auch Anton Mahringer zur Kärntner Künstlergruppierung des Nötscher Kreises. Von ihm stammt ein Selbstporträt (1952) sowie die Blaue Landschaft aus dem Jahr 1961.

Landschaften des Stimmungsimpressionismus: Blau-Lang, Wisinger-Florian, Pettenkofen, Hörmann, Schindler

Das früheste Gemälde der Schenkung ist der Platz in Szolnok von Tina Blau-Lang (1874): Bereits um 1850 hatte August von Pettenkofen die Szolnoker Malerschule begründet, eine Malerkolonie, der auch Theodor von Hörmann und später Tina Blau angehörten. Dank der dortigen besonderen Lichtverhältnisse entstanden wegweisende Darstellungen, welche die österreichische Landschaftsmalerei nachhaltig beeinflussten. Hörmann malte 1874 in Niederösterreich die Mühle in Erla. Das Gemälde An der Zuidersee von Emil Jakob Schindler, 1875 in den Niederlanden entstanden, zeigt den Blick über eine Nordseebucht. Pettenkofen schuf 1885 im Zuge einer seiner Italienaufenthalte die Ansicht Klostergarten in Assisi. Alfred Zoff, der für seine Küstenlandschaften und Seestücke bekannt ist, malte 1905 Ankernde Segelschiffe vor Chioggia. Neben einem Motiv aus Schwabing (1884) von Tina Blau-Lang, sind auch zwei Landschaften von Olga Wisinger-Florian Teil des Konvoluts, darunter die Pappelallee von 1899.

Stillleben von Faistauer, Boeckl, Pauser, Lerch u.a.

Einen weiteren Schwerpunkt der Schenkung bildet die Gruppe der Stillleben, wie etwa von Anton Faistauer das Stillleben mit Äpfeln (1915) oder ein Stillleben mit Früchten und Messer (1927) von Herbert Boeckl. 1932 entstanden die Blumen in einem weißen Krug von Sergius Pauser. Franz Lerch schuf sein Stillleben mit Früchten 1944 im amerikanischen Exil.

Koller-Pinell: Verstärkung dieser wichtigen malerischen Position im Leopold Museum

Werke von Broncia Koller-Pinell, einer Schlüsselfigur im Netzwerk der Wiener Moderne, wurde in den letzten Jahren im Rahmen von Sonderausstellungen im Leopold Museum oder in der permanenten Präsentation Wien 1900. Aufbruch in die Moderne besondere Aufmerksamkeit zuteil. Durch die aktuelle Schenkung zweier Gemälde – Koller-Pinells Stillleben mit Orangen, Blumenvase und Statuette (1890) und ein Porträt ihrer Tochter Silvia aus dem Jahr 1910 – erfährt diese bedeutende Künstlerin eine weitere Betonung im Leopold Museum.

Die in der Schenkung vertretenen Künstler*innen:

August von Pettenkofen (1822–1889), Theodor von Hörmann (1840–1895), Emil Jakob Schindler (1842–1892), Olga Wisinger-Florian (1844–1926), Tina Blau-Lang (1845–1916), Alfred Zoff (1852–1927), Broncia Koller-Pinell (1863–1934), Richard Gerstl (1883–1908), Hans Böhler (1884–1961), Felix Albrecht Harta (1884–1967), Alfred Wickenburg (1885–1978), Oskar Kokoschka (1886–1980), Anton Kolig (1886–1950), Anton Faistauer (1887–1930), Egon Schiele (1890–1918), Viktor Tischler (1890–1951), Aloys Wach (1892–1940), Herbert Boeckl (1894–1966), Franz Lerch (1895–1977), Sergius Pauser (1896–1970), Wilhelm Nicolaus Prachensky (1898–1956), Gerhart Frankl (1901–1965), Anton Mahringer (1902–1974), Hans Fronius (1903–1988).

Die Werke im Detail

ÖSTERREICHISCHER EXPRESSIONISMUS: WERKE DER HAUPTVERTRETER RICHARD GERSTL, OSKAR KOKOSCHKA UND EGON SCHIELE

Zwei Ölgemälde der Schenkung stammen aus dem frühen Schaffen von Egon Schiele, zum einen das Selbstporträt mit langen Haaren von 1907 sowie das Bildnis Leopold Czihaczek, ein Porträt von Schieles Onkel und Vormund, entstanden im selben Jahr. Ebenfalls Teil der Schenkung sind drei herausragende Blätter von Egon Schiele: Das Aquarell Schwangere (1910) sowie die Zeichnungen Sitzendes Mädchen mit Haarmasche (1909) und Stehender weiblicher Akt (1917). Die grafischen Arbeiten umfassen je ein Beispiel des Frühwerks, ein Werk der expressionistischen Phase ab 1910, als auch eine Arbeit aus den späten Jahren Schieles. Das Interieur mit Thonetstuhl (Zimmer) schuf der bahnbrechende Pionier des österreichischen Expressionismus Richard Gerstl 1908, in seinem letzten Lebensjahr, in dem er im Alter von nur 25 Jahren verstarb. Die farbige Kreidelithografie Selbstbildnis von zwei Seiten als Maler von Oskar Kokoschka entstand 1923. Das Motiv verwendete Kokoschka für sein Plakat der Ausstellung im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich, das sich ebenfalls in der Sammlung des Leopold Museum befindet.

ZWEI VERTRETER DES NÖTSCHER KREISES: ANTON KOLIG UND ANTON MAHRINGER

Anton Kolig schuf das Aquarell Märchen (um 1926), welches ebenso wie zwei Männerakte – die Bleistiftzeichnung Liegender männlicher Rückenakt (1936) und das kolorierte Blatt „Der Traum vom Glück“. Am Rücken liegender männlicher Akt (Rudolf Baurecht) aus dem Jahr 1944 – Teil der Donation ist. Wie Kolig zählte auch der Deutsche Anton Mahringer zur losen Kärntner Künstlergruppierung Nötscher Kreis. Von Mahringer sind das Selbstporträt vor Landschaft (1952) und die Blaue Landschaft (1961) in der Schenkung enthalten.

LANDSCHAFTEN DES STIMMUNGSIMPRESSIONISMUS: AUGUST VON PETTENKOFEN, THEODOR VON HÖRMANN, EMIL JAKOB SCHINDLER, TINA BLAU-LANG, OLGA WISINGER FLORIAN

Das älteste Gemälde der Schenkung ist der Platz in Szolnok von Tina Blau-Lang. Die Künstlerin schuf die stimmungsimpressionistische Komposition 1874, während eines Studienaufenthaltes in Ungarn. Bereits um 1850 hatte der Wiener Maler August von Pettenkofen die Szolnoker Malerschule begründet, eine Malerkolonie, der auch der „Pusztamaler“ Johann Gualbert Raffalt, Theodor von Hörmann und später Tina Blau angehörten. Dank der dortigen besonderen Lichtverhältnisse entstanden in und rund um das kleine Städtchen östlich von Budapest interessante Landschaftsdarstellungen, welche die österreichische Landschaftsmalerei nachhaltig beeinflussten. Theodor von Hörmann malte 1874 die Mühle in Erla bei St. Pantaleon, im westlichen Niederösterreich, unweit von Enns. Das Gemälde An der Zuidersee, eine 1875 in den Niederlanden entstandene holländische Küstenlandschaft von Emil Jakob Schindler, zeigt den Blick über eine Nordseebucht. Klostergarten, Motiv aus Assisi malte August von Pettenkofen vermutlich 1885 im Zuge einer seiner zahlreichen Italienaufenthalte. Der ebenfalls zu den Stimmungsimpressionisten zählende Maler Alfred Zoff ist für seine Küstenlandschaften und Seestücke bekannt. Südlich von Venedig entstand 1905 das Gemälde Ankernde Segelschiffe vor Chioggia. Weitere Landschaften im Konvolut der Schenkungen sind das Münchner Motiv aus Schwabing (1884) von Tina Blau-Lang, der Weg in Wobach (1887) entstanden in einer Ortschaft bei St. Veit an der Gölsen in Niederösterreich und die Pappelallee (1899) der Emil Jakob Schindler-Schülerin Olga Wisinger-Florian. Letztere ermöglicht einen wunderbaren Vergleich mit Schindlers Pappelallee bei Plankenberg (um 1890) und Wisinger-Florians Pappelallee – Landschaft mit Eisenbahn (1901) aus dem Bestand des Leopold Museum.

STILLLEBEN VON ANTON FAISTAUER, GERHART FRANKL, HERBERT BOECKL, ALOYS WACH UND SERGIUS PAUSER

Einen weiteren Schwerpunkt der Schenkung bildet die Gruppe der Stillleben: Das Stillleben mit Äpfeln (1915) von Anton Faistauer, von Gerhart Frankl dessen Stillleben mit Aufwärter, Glas und Früchten (1925), das Stillleben mit Früchten und Messer (1927) von Herbert Boeckl oder das Stillleben mit Früchten von Franz Lerch, 1944 im Exil in den USA entstanden. Im selben Jahr erhielt Lerch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er lebte noch weitere 33 Jahre in den Vereinigten Staaten, ehe er 1977 in New York verstarb. Aloys Wach ist mit dem Stillleben mit Zitronen und Tulpen (1931) vertreten, ein bereits neusachlich beeinflusstes Werk des Expressionisten, dessen Kunst von den Nazis als entartet diffamiert wurde. 1932 entstanden die Blumen in einem weißen Krug von Sergius Pauser.

FELIX ALBRECHT HARTA, HANS BÖHLER, SERGIUS PAUSER, HANS FRONIUS

1909 entstand – vermutlich in Spanien – die lichtdurchflutete Strandszene von Felix Albrecht Harta. Im maritimen Bereich angesiedelt ist auch die Darstellung einer sich auf einen verendeten Fisch am Strand stürzenden Möwe von Hans Fronius. Das 1986 entstandene Gemälde ist das jüngste Werk der Schenkung. Ganz im neusachlichen Stil gehalten ist der 1928 von Sergius Pauser mit dem Pinsel festgehaltene Ausblick aus einem Fenster auf den Hafen von Monte Carlo. Selma with Striped Blouse, das Porträt eine Afroamerikanerin, schuf Hans Böhler 1937, ein Jahr nach seiner Übersiedelung in die USA, wo er bis 1950 lebte. Seine Flußlandschaft Sunset on the Hudson entstand 1942.

NEUE NAMEN IN DER SAMMLUNG DES LEOPOLD MUSEUM: ALFRED WICKENBURG UND WILHELM NICOLAUS PRACHENSKY

Nach der Gründung der Leopold Museum-Privatstiftung im Jahr 1994 und dem Einbringen von mehr als 5200 Werken in die Stiftung, setzte Rudolf Leopold seine private Sammeltätigkeit fort. Für diese Privatsammlung erwarb der Sammler auch Werke von Alfred von Wickenburg und Wilhelm Nicolaus Prachensky, dessen Werke bisher in der Sammlung des Leopold Museum fehlten, welche in den letzten Jahren auf mehr als 8500 Objekte angewachsen ist. Der Grazer Wickenburg ist durch die Schenkung nun, nach dem von Rudolf Leopold erworbenen Diana und Aktäon (1921), mit einem weiteren prominenten Werk in der Sammlung vertreten, dem Stillleben mit Pfauenfeder (1919). Vom Innsbrucker Künstler Prachensky stammen die im Trentino entstandene Ansicht eines italienischen Hauses Auf dem Weg nach Mezzocorona (1917) und die Norditalienische Landschaft aus dem Jahr 1953.

BRONCIA KOLLER-PINELL – NETZWERKERIN IN WIEN UM 1900: DAS SCHLIEßEN EINER SAMMLUNGSLÜCKE IST GELUNGEN

Werke von Broncia Koller-Pinell, einer Schlüsselfigur im Netzwerk der Wiener Moderne, waren bisher lediglich in Form von Korrespondenz im Sammlungsbestand vertreten, etwa durch einen Brief der Künstlerin an Schieles Schwager – den Maler Anton Peschka – oder mittels eines Briefes von Edith Schiele an Koller-Pinell. In den letzten Jahren ist es gelungen Werke der Künstlerin als Dauerleihgaben aus namhaften Privatsammlungen, u.a. aus der Sammlung Eisenberger, permanent im Rahmen von Ausstellungen oder in der permanenten Präsentation Wien 1900. Aufbruch in die Moderne zu zeigen. Durch die aktuelle Schenkung sind nun mit Koller-Pinells Stillleben mit Orangen, Blumenvase und Statuette (1890) und dem Gemälde Silvia mit Hut (1910), einem Porträt ihrer Tochter, auch Werke dieser bedeutenden Künstlerin integraler Teil des Museumsbestandes und so konnte eine Lücke in der Sammlung des Leopold Museum nun dauerhaft geschlossen werden.

VIKTOR TISCHLERS NEUER SICHERER HAFEN IN WIEN

Ebenfalls neu in der Sammlung ist mit dem Stillleben mit Fisch und Muschel (o. D.) nun ein Werk von Viktor Tischler, dem der Kunstkritiker und Schiele-Förderer Arthur Roessler 1924 eine Monografie widmete. Tischler lebte seit 1928 in Paris und 1940/41 in Südfrankreich, von wo aus er in die USA flüchten konnte. 1949 kehrte er nach Frankreich zurück. Das Gemälde entstand möglicherweise in Beaulieu-sur-Mer an der Côte d'Azur, wo der Maler 1951 verstarb. Mit der Schenkung erhält das besondere Werk Viktor Tischlers nun einen neuen sicheren Hafen in Wien.

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