Aksel Waldemar Johannessen, Zur Prostitution gezwungen, 1915 © Privatbesitz

ZUR AUSSTELLUNG

Das Leopold Museum widmet dem bedeutenden norwegischen Expressionisten Aksel Waldemar Johannessen (1880-1922) die bisher größte Ausstellung in Österreich. Rund 60 Gemälde, Grafiken und Skulpturen zeigen ein aufregendes und ungemein kraftvolles, teils drastisches Œuvre. Die Kunstwerke wurden von Prof. Rudolf Leopold persönlich für die Ausstellung ausgesucht.


RUDOLF LEOPOLD UND HAAKON MEHREN – KÄMPFER FÜR DIE KUNST

Prof. Rudolf Leopold verbindet seit langen Jahren eine sehr intensive Freundschaft mit dem norwegischen Galeristen und Kunstkenner Haakon Mehren, der das Glück hatte, das großartige Œuvre von Aksel Waldemar Johannessen wieder entdecken zu dürfen. Ohne seine Bemühungen wäre möglicherweise heute ein Großteil der Werke des Expressionisten verloren. Haakon Mehren und Rudolf Leopold eint die unerbittliche Leidenschaft, mit der sie für einen Künstler eintreten.


GERSTL, SCHIELE, JOHANNESSEN

Die Wiederentdeckung des Schaffens des hoch talentierten Richard Gerstl (1883-1908), der aus unglücklicher Liebe und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Marginalisierung Selbstmord beging, sowie die Geschichte der einzigartigen Wertsteigerung des Werkes von Egon Schiele (1890-1918), erinnern an den Weg Johannessens. Sowohl für Gerstls als auch für Schieles (Wieder-)Anerkennung trat Dr. Leopold jahrzehntelang ein. Schiele, der in jungen Jahren Opfer einer Epidemie wurde, war zum Zeitpunkt seines Todes kein Unbekannter mehr, stand vor dem Durchbruch. Nach dem zweiten Weltkrieg dauerte es jedoch lange, bis Schiele internationale Anerkennung zuteil wurde. Gerstls Bilder landeten nach seinem Tod in einem Depot, wurden erst 20 Jahre später wieder entdeckt und es vergingen viele weiter Jahre, bis dem Vorreiter der österreichischen Kunst wieder ein gebührender Rang im Kunstgeschehen zuerkannt wurde. Johannessen wirkte lange Zeit »im Geheimen«, zeigte sein Werk nicht der Öffentlichkeit. Erst 1990 entdeckte Haakon Mehren wichtige Werke von Johannessen in einer Scheune.


SCHAFFENSKRAFT UND SELBSTZERSTÖRUNG

Johannessens früher Tod ist Folge des Raubbaus an seinem Körper. Die Neigung zur Selbstzerstörung wurde durch dramatische Ereignisse in seinem Leben verstärkt. Vor allem die Krebserkrankung seiner Frau ließ vor seinem geistigen Auge Horrorszenarien entstehen. Johannessen malte sich in düsterer Weise aus, wie seine Kinder eines Tages als Waisen zurück bleiben würden. Diese Visionen sind immer wieder Gegenstand seiner Bilder, so etwa in jenem, in seinem Todesjahr 1922 entstandenen Gemälde, das seine Tochter zeigt. Das junge Mädchen beobachtet vom Fenster aus zwei vorbeigleitende dunkle Boote, deren Segel den Wind wie Sensen schneiden. Das Bild kann symbolisch als Vorbote des Todes betrachtet werden. Trotz der unheilbaren Krankheit seiner Frau, war es Johannessen, der einige Monate vor ihr aus dem Leben schied. Die finsteren Prophezeiungen wurden von der grausamen Realität eingeholt. Die Bilder der letzten Jahre gehören ob ihrer Direktheit zu den stärksten seines Schaffens, so etwa die »Kreuzigung«.


KUNSTSCHULE, KUNSTHANDWERK, TRACHTEN UND THEATERKOSTÜME

Aksel Waldemar Johannessen wurde 1880 in Kristiania, dem späteren Oslo, geboren. Er studierte an der Königlichen Kunstschule, lebte und arbeitete zur selben Zeit wie Edvard Munch (1863-1944) in Kristiania. Zunächst war er als Entwerfer für Möbel und Kunsthandwerk tätig. Gemeinsam mit seiner Frau Anna gründete er 1913 die Firma »Heimen Tegnekontor«, die sich der Herstellung von Trachten und Theaterkostümen widmete. Er schuf viele Entwürfe für »Det Norske Teatret« (Norwegisches Theater), das zur selben Zeit vom norwegischen Dichterpaar Arne Garborg (1851-1924) und Hulda Garborg (1862-1934) begründet worden war. Um Arne und Hulda Garborg scharrte sich ein Kreis von Literaten und Künstlern, wie etwa der Arbeiterdichter Kristofer Oliver Uppdal (1878-1961) und der Poet Olav Nygard (1884-1924), mit denen Aksel Waldemar Johannessen in engem Kontakt stand.


DER MALER JOHANNESSEN -
SOZIALES ENGAGEMENT, ABSEITS DER ÖFFENTLICHEN WAHRNEHMUNG

Von seiner Umgebung weitgehend unbemerkt, betätigte sich Aksel Waldemar Johannessen seit 1912 auch als Maler. Bis zu seinem frühen Tod 1922 entstanden über achtzig Gemälde, von denen sich der Künstler Zeit seines Lebens kaum trennte und die er auch nicht auf Ausstellungen zeigte. Johannessens Bilder überraschen durch die Direktheit ihrer Aussage. Der Kritiker Jappe Nielsen, ein enger Freund von Edvard Munch bemerkte, dass sich Johannessens Bilder geradezu ins Gedächtnis einätzen würden. Viele der Bildthemen enthüllen ein hohes soziales Engagement, vergleichbar dem Werk von Käthe Kollwitz. In seinen Darstellungen des städtischen Proletariats solidarisiert sich Johannessen mit den Unterdrückten und Armen und sieht sich als Anwalt der mittellosen Arbeiter. In vielen seiner Bilder wendet er sich dem Schicksal der Trinker und Prostituierten zu. Seine Anklage unterstützt Aksel Waldemar Johannessen oft durch effektvolle und theatralische Inszenierungen. Schließlich widmet sich Aksel Waldemar Johannessen auch der Schönheit der norwegischen Landschaft. Er schildert die Landarbeiter bei ihrer Tätigkeit auf den Feldern und beschreibt die abwechslungsreiche Umgebung von Kristiania.


TRAGISCHER TOD UND POSTHUME ANERKENNUNG

Aksel Waldemar Johannessen starb mit 42 Jahren an physischer und psychischer Zerrüttung, verursacht durch seine Alkoholabhängigkeit. Dazu kam noch der Kummer über die Krebserkrankung seiner Frau. Anna Johannessen sollte ihren Mann nur kurze Zeit überleben. Wenige Monate nach dem Tod des Künstlers fand in der renommierten Galerie Blomqvist in Oslo 1923 eine Gedächtnisausstellung statt, bei der Johannessens Bilder erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen waren. Die Schau rief große Aufmerksamkeit innerhalb der Kunstwelt hervor. Edvard Munch etwa sagte über Johannessens Bilder: »Mit das Merkwürdigste, dem ich je begegnet bin!«


VERGESSEN UND GERETTET

Trotz des Erfolgs dieser Ausstellung geriet Johannessen nach seinem Tod in Vergessenheit. Johannessens Bilder lagerten unbemerkt viele Jahre in einem Landhaus in der Nähe von Oslo. Erst 1990 wurden sie durch Zufall vom Kunstliebhaber Haakon Mehren wiederentdeckt. 1992 veranstaltete dieser in der Galerie Blomqvist neuerlich eine große Personalausstellung mit den wieder aufgetauchten Werken des Künstlers. Eine Reihe von Ausstellungen innerhalb und außerhalb Norwegens (Palazzo Te, Mantua, Palazzo Ducale, Venedig, Kunstforum der GrundkreditBank, Berlin) lenkte den Blick wieder auf diesen bemerkenswerten Maler, dessen expressionistische Malerei in der
norwegischen Kunst singulär erscheint. Mit der Ausstellung im Leopold Museum ist Aksel Waldemar Johannessens Werk erstmals auch in Wien zu sehen. Die Ausstellung versteht sich als weiterer Schritt, diesem Künstler den Stellenwert zuzuerkennen, der ihm innerhalb der künstlerischen Aufbruchsbewegung Norwegens im frühen 20. Jahrhundert gebührt.


AKSEL WALDEMAR JOHANNESSEN (1880-1922)

1880 Aksel Waldemar Johannessen wird am 26. Oktober in Kristiania (Oslo) geboren.
Die Familie wohnt im Stadtteil Kampen, der damals ein ärmliches Arbeiterviertel ist.
1900-1905 Ausbildung als Künstler an der Königlichen (später: Staatlichen) Kunst- und Handwerksschule in Kristiania.
1907 Johannessen heiratet Anna Nilsen und zieht nach Gjøvik. Er arbeitet als Designer, Holzschnitzer und Modellmeister in einer Möbelwerkstatt.
1908 Geburt der Tochter Aasa.
1910 Rückkehr nach Kristiania.
1912 Die Malerei wird von nun an zum bevorzugten künstlerischen Anliegen Johannessens.
1913 Anna und Aksel Waldemar Johannessen gründen das Heimatwerk »Heimen Tegnekontor «. Das Heimatwerk widmet sich der Pflege des traditionellen Kunsthandwerks. Gemeinsam mit der Dichterin Hulda Garborg entstehen zahlreiche Entwürfe für folkloristische Trachten. Hulda Garborg gründet zur selben Zeit »Det Norske Teatret« (Norwegisches Theater). Zahlreiche Kostümentwürfe und Requisiten für dieses Theater stammen von Aksel Waldemar Johannessen.
1914 Geburt der Tochter Solveig.
1918-1921 Fruchtbarster Lebensabschnitt, sowohl die Arbeit für das Theater als auch die freie Malerei betreffend.
Johannessen mietet für die Sommermonate ein Haus in Asker und ist dort mit dem Dichterehepaar Arne und Hulda Garborg und dem Schriftsteller Kristofer Uppdal zusammen.
1921 Anna Johannessen erkrankt unheilbar an Krebs. Für Aksel Waldemar Johannessen stürzt eine Welt ein. Alkoholprobleme und monatelange Abwesenheit von zu Hause sind die Folge.
1922 Aksel Waldemar Johannessen stirbt am 25. Oktober an Lungenentzündung.
1923 Am 16. Januar findet die Eröffnung einer Johannessen-Gedächtnisausstellung in der Galerie Blomqvist, Oslo statt. Es ist die erste und für lange Zeit einzige Ausstellung mit Bildern des Künstlers. Am 14. Februar endet die Ausstellung, vier Tage darauf stirbt Anna. Die Kinder werden bei den Garborgs untergebracht. Das Heimatwerk wird mit Erfolg an den »Verein der bäuerlichen Jugend« (Bondeungdomslaget, B.U.L) verkauft und bleibt weiter bestehen. Die Bilder kommen in ein Lager. Damit endet das Lebenswerk des Ehepaars Johannessen.
1990 Haakon Mehren entdeckt in einer Scheune einige Bilder, zusammengerollt und zum Teil restaurierungsbedürftig.
1992 Das Buch Aksel Waldemar Johannessen. Vår glemte maler (Unser vergessener Maler) erscheint beim Osloer Verlag Gyldendal Norsk Forlag, Herausgeber ist Haakon Mehren.
Gedächtnisausstellung bei Blomqvist Kunsthandel, Oslo.
1993 Ausstellungen in Skien und in den Museen von Stavanger und Bergen, Norwegen.
1994 Ausstellung über Aksel Waldemar Johannessen im Palazzo Te in Mantua. Die Ausstellung ist anschließend im Palazzo Ducale in Venedig und auf Schloss Maretsch in Bozen, Südtirol, zu sehen.
1995 Ausstellung auf Schloss Lamberg, Steyr, Oberösterreich.
1997 Ausstellung im Kulturforum der GrundkreditBank in Berlin, kuratiert von Erich Steingräber.
2007 Ausstellungen über Aksel Waldemar Johannessen in der Arnulf Øverland Galerie in Kristians und, Norwegen, in Blomqvist Kunsthandel, Oslo und im Kistefos Museum in Jevnaker, Norwegen.
2009 Ausstellung im Leopold Museum, Wien, kuratiert von Professor Dr. Rudolf Leopold. Es erscheint ein umfangreicher Ausstellungskatalog.

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