Einen spannenden Einblick in die mondäne Welt der Wiener Society der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts gewährt das Leopold Museum ab sofort im Rahmen der Dauerpräsentation "Zwischen den Kriegen. Kunst von 1918 bis 1938". Gezeigt wird eine Auswahl einzigartiger Fotos der 1920er und 1930er Jahre aus dem Atelier des Wiener Fotografen Franz Xaver Setzer.
Leopold Museum Direktoren Smola und Weinhäupl:
„Ungehobener Schatz österreichischer Fotografiegeschichte“
Die Direktoren des Leopold Museum Franz Smola und Peter Weinhäupl, freuen sich, mit dieser Präsentation erstmals einen umfassenden Einblick in die reichen Bestände des Fotoatelier Setzer-Tschiedel gewähren zu können: „Das Fotostudio Setzer stellt einen bisher ungehobenen Schatz österreichischer Fotografiegeschichte dar. Im Rahmen der umfassenden Neuaufstellung der Sammlung österreichischer Kunst der Jahre 1918 bis 1938 bildet diese Fotoschau eine wunderbare Ergänzung zu den Gemälden der Sammlung – von Herbert Boeckl bis Albin Egger-Lienz – einer umfassenden Zeitleiste und den historischen Filmaufnahmen.“
Fotoexperte Piffl: "Außergewöhnliches Zeugnis der Wiener Kulturgeschichte"
Unter dem Titel "Wiener Gesellschaft" hat der Fotoexperte und Leiter der Bildagentur Imagno Gerald Piffl für das Leopold Museum erstmals eine interessante Auswahl von über hundert Porträtfotografien der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zusammengestellt. Piffl: "Das Archiv des Fotostudios Setzer-Tschiedel, das sich heute noch in Familienbesitz befindet, ist ein unschätzbares Kleinod der Wiener Fotogeschichte und außergewöhnliches Zeugnis der Wiener Kulturgeschichte. Der hier vorgestellte Einblick kann als Zwischenbericht zur Erschließung und Bearbeitung des Ateliers aufgefasst werden, dem in naher Zukunft eine umfangreiche Präsentation folgen soll."
Franz Xaver Setzer: Fotograf der Wiener Gesellschaft
Franz Xaver Setzer (1886 - 1939) war einer der bedeutendsten Fotografen der Wiener Society in einer Epoche voller Stil und Glamour. Das 1911 eingerichtete Dachatelier in der Museumstraße im siebenten Bezirk war bald Treffpunkt der Reichen und Schönen, der Bourgeoisie und der Künstler, die "Wiener Gesellschaft" ging bei Setzer ein und aus. Sein Studio ist das einzige heute noch im Original-Zustand erhaltene Fotoatelier der Zwischenkriegszeit.
Große Oper: Diven von Jeritza bis Lehmann bei Setzer zu Gast
Für die Welt der Bühne war ein Besuch bei Setzer ein absolutes Must. Operndiven wie Maria Jeritza, Elisabeth Schumann, Jamilla Novotná, Lotte Lehmann oder Startenor Leo Slezak blickten mit Vergnügen in das Objektiv von Setzers Kamera. Die Künstler ließen sich mit Vorliebe in ihren Bühnenkostümen ablichten.
Stefan Zweig und Arthur Schnitzler - Arnold Schönberg und Richard Strauss
Nicht nur Opernsänger, auch Komponisten, Regisseure, Theaterschauspieler, alles was in der Welt der Bühne Rang und Namen hatte, ließ sich von Franz Xaver Setzer verewigen. Bedeutende Literaten wie Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Felix Salten und Richard Beer-Hofmann und der geniale Regisseur Max Reinhardt wurden von Setzer auf unverwechselbare Art und Weise festgehalten.
Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts wie Giacomo Puccini, Richard Strauss, Maurice Ravel oder Arnold Schönberg wurden in den 20er Jahren von Setzer verewigt, ebenso der Operettenkomponist Franz Lehár. Ein schönes Beispiel aus der glanzvollen Operettenära ist das Foto der Sopranistin Betty Fischer, in einer Rolle in der Operette "Die Königin" von Oscar Straus".
Die Dirigenten Bruno Walter und Clemens Krauss
Zwei in den dreißiger Jahre entstandene Fotos zeigen bedeutende Dirigenten mit dramatisch divergierenden Biographien: Den streng, frontal in die Kamera blickenden Bruno Walter, der nach der Machtergreifung der Nazis nach Österreich und später in die USA emigrieren musste und der von den Nazis vergötterte Clemens Krauss mit seinem markantem Profil.
Legendäre Schauspieler: von Raul Aslan bis Paula Wessely
Beeindruckend sind auch die Aufnahmen der Schauspielgiganten wie Conrad Veidt - in seiner Filmrolle des Cesare in "Das Cabinet des Dr. Caligari", Raoul Aslan, Emil Jannings, Attila Hörbiger, Paula Wessely, Ewald Balser und Wolf Albach-Retty.
Vom Bundespräsidenten bis zum Flugpionier
Weitere Highlights unter den Fotos aus den 1920er und 1930er Jahren sind die Aufnahmen von Bundespräsident Wilhelm Miklas, des Unternehmers Julius Meinl III. oder von Igo Etrich, dem Flugpionier und Erfinder der Etrich-Taube. Besonders interessant sind die Porträts von Elisabeth Ephrussi, Großmutter von Edmund de Waal, Autor von "Der Hase mit den Bernsteinaugen", der deutschen Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler, der Fotografin Lisette Model oder jenes der Tänzerin Grete Wiesenthal. Entzückend Schauspielerin Lotte Medelsky als Marthe Schwerdtlein in Goethes "Faust", verwegen der Tänzer Toni Birkmeyer als Prinz Karneval. Bezaubernd die drei "Kinder von Baron Loudon", kurios die eleganten aus Norwegen stammenden und in den USA beliebten Entertainer "The Rocky Twins", aufgenommen 1929.
Bilder des jungen Rudolf Leopold
Exkurs und Delikatesse zugleich sind die Fotos des jungen Rudolf Leopold und seiner Familie, die im Atelier Setzer-Tschiedel in den 1940er Jahren angefertigt wurden.
Nach Setzer: Assistentin Marie Tschiedel übernimmt und bewahrt
Nach dem Tod von Franz Xaver Setzer hatte seine Assistentin Marie Karoline Tschiedel (1899 - 1980) den Betrieb übernommen und führte ihn bis 1979 weiter. In diesem Jahr wurde das Atelier geschlossen und dank glücklicher Umstände bis heute unverändert bewahrt.
20.000 Glasplatten, Musterbücher und Gästebuch
Der Bestand des Atelier Setzer-Tschiedel umfasst den beinahe komplett überlieferten Nachlass eines der führenden Wiener Porträtstudios in seiner ganzen Bandbreite. Das Archiv umfasst heute noch etwa 20.000 Glasplatten. Das penibel geführte Plattenbuch und die in Schachteln geordneten Abzüge sind ebenso erhalten wie die Musterbücher mit Schauspieler-, Sänger- und Tänzer-Porträts, das Telefonverzeichnis und das Gästebuch des Ateliers.
Zeitschriften, Bücher, Sammelkarten
Die Porträts der Wiener Theater- und Opernlieblinge wurden in zahlreichen Zeitschriften und Büchern publiziert und von den Bewunderern ihrer Stars in Form von Postkarten gesammelt. Für Porträtfotografen wie Setzer waren Fotografien berühmter Künstler wichtige Einnahmequelle und mehrten gleichzeitig das Renomée des Studios. Die Schauspieler und Sänger ließen sich Karten anfertigen um sie selbst zu überreichen aber auch unter Fans und Verehrern fanden diese Aufnahmen reißenden Absatz. Wohlhabende Kunden ließen im Atelier Fotos von sich anfertigen, Familien des Großbürgertums waren Stammkunden. Die Fotoporträts von Franz Xaver Setzer vermitteln in ihrer Fülle ein eindrucksvolles visuelles Verzeichnis der Wiener Gesellschaft im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Infos zum Atelier Setzer-Tschidel
Weiterführende Infos zum Atelier Setzer-Tschiedel gibt es auf der Website des Ateliers: www.setzer-tschiedel.at
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