13.11.2024–09.03.2025

POESIE

DES ORNAMENTS

Das Backhausen-Archiv

Das 1849 gegründete Unternehmen Backhausen zählt zu den traditionsreichsten Möbel- und Dekorstoffproduzenten der Wiener Geschichte. Zurückgehend auf den 1811 nach Wien emigrierten Jakob Backhausen blieb der Betrieb Jahrzehnte in Familienbesitz, was sich auch in den wechselnden Firmentiteln widerspiegelte: von Karl und Johann Backhausen & Co. über Johann Backhausen, k.k. ausschließlich privilegierte Mode- und Chenillefabrik bis hin zu Johann Backhausen & Söhne. Dem Unternehmen oblag die textile Ausstattung der prestigeträchtigsten Prachtbauten Wiens und es prägte die Wiener Moderne auf nationaler wie internationaler Ebene, indem es über viele Jahre hinweg verstand, Tradition und Avantgarde miteinander zu verweben.

Die Ausstellung Poesie des Ornaments beleuchtet einzelne Produktionsschritte – vom Entwurf über Stoffmuster bis hin zur Anwendung –, rückt Textilien, die von historischen Aufnahmen zum Teil bekannt sind, in den Fokus der Betrachtung und stellt somit das Gesamtkunstwerk der Wiener Moderne erneut zur Diskussion. Anhand von diversen Themenkomplexen gewährt die Schau einen Einblick in die musealen Bestände des tausende Objekte umfassenden Backhausen-Archivs und macht dieses in dieser Fülle einer breiten Öffentlichkeit erstmalig zugänglich.

Unser Dank und unser Gedenken gilt an dieser Stelle in besonderem Maße Frau Dr. Louise Kiesling (1957-2022), die sich mit leidenschaftlicher Begeisterung und großem ideellen wie monetärem Engagement für die systematische wissenschaftliche Aufarbeitung, die Inventarisierung, die fotografische Dokumentation und die Lagerung nach musealen konservatorischen Standards eingesetzt hat und damit den Erhalt dieses kostbaren kulturellen Erbes sicherte. Ohne ihre wertvolle Arbeit für das Backhausen-Archiv, welches seit 2022 als Einheit ob seiner Einzigartigkeit unter Denkmalschutz steht, würde diese Ausstellung nicht möglich sein.

 

Kuratorinnen: Ursula Oswald-Graf und Aline Marion Steinwender

„Bekannter aber doch sind seine [Koloman Mosers] Zeichnungen für die Möbelstoffe und Teppiche der Firma Backhausen in Wien. Sie wollen nicht für sich allein gelten und alle erdenklichen Effekte erschöpfen, sondern kommen erst im Interieur, in ihrer Anwendung als Fussteppich, Draperie oder Möbelbezug vollkommen zur Geltung. Dann aber in geradezu überraschender und künstlerisch überzeugender Weise.“

Hans Folnesics: „Das moderne Wiener Kunstgewerbe“, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Jg. III., Heft 6, 1900, S. 274.

Das Backhausen-Archiv umfasst tausende Objekte, darunter grafische Entwürfe von über 300 Entwerfer*innen, Stoffproben, Muster- sowie Kollektionsbücher und – das Herz des Archivs – sechs Dessin-Bücher. Die für die Ausstellung exemplarisch ausgewählten Exponate sollen die Vielfalt der Kreationen sowie die Stilpluralität moderner und historisierender Tendenzen punktuell aufzeigen und einen aufschlussreichen Einblick in den umfassenden Bestand des Archivs ermöglichen. Bei den präsentierten Objekten handelt es sich um Werkzeichnungen und Skizzen, welche etwa auch Anweisungen für Knüpfer*innen, Notizen der Designer*innen oder Firmenstempel aufweisen. Die Werktitel referieren entweder auf ein chronologisch nummeriertes Dessin – wenn die Entwürfe in Produktion gingen und in die Dessin-Bücher aufgenommen wurden – oder auf eine Skizze, die meistens unausgeführt blieb.

JOSEF HOFFMANN, Dess. 5113 & 5116, 1904JOSEF HOFFMANN, Dess. 5113 & 5116, 1904 © Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum | Foto: Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum

Josef Hoffmann, Schüler von Otto Wagner, Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule und Gründer der Wiener Werkstätte war ein rastloser Entwerfer von Textilien. Der Bestand an Stoff- und Teppichentwürfen im Backhausen Archiv belegt dies eindrucksvoll. Auch wenn Otto Wagner den Beginn der Zusammenarbeit der Firma Backhausen mit Architekten*innen und Kunsthandwerkern*innen der Wiener Moderne markierte, und Koloman Mosers erster Entwurf für die Firma von 1898 datiert, so ist es doch die mehr als 40 Jahre währende Zusammenarbeit mit über 250 Entwürfen aus der Hand Hoffmanns, die beispielhaft die Entwicklung der Wiener Textilgeschichte der Moderne nachzeichnet.

PALAIS STOCLET – LEBENSWELT UND HORT DER KUNST

Das Palais Stoclet in Brüssel verkörpert die Idee des modernen Gesamtkunstwerkes wie kein anderes Bauwerk. Es ist das Hauptwerk Josef Hoffmanns sowie der Wiener Werkstätte und seit 2009 Teil des UNESCO-Welterbes.

Der zwischen 1905 und 1911 errichtete Bau zelebriert bis ins kleinste Ausstattungsdetail den Sieg der Künste und der Schönheit. „Hier begreift man die wirkliche Größe der Kunst Hoffmanns, die dort, wo ihr freier Spielraum gelassen wird, in kühnem Aufschwung das Höchste zu erreichen vermag“, schrieb damals die Kunsthistorikerin Amelia Sarah Levetus. Tatsächlich gab es ein fast uneingeschränktes Budget und ein grenzenloses Vertrauen von Seiten des Auftraggebers, Adolphe Stoclet, Direktor der Société Générale de Belgique. Das Interieur spiegelt Status, Besitz und Kultur der Stoclets wider. Als subversive Gegenarchitektur bekleiden reich ornamentierte Teppiche die Böden. Die Gänge des Treppenhauses durchzieht ein Veloursläufer (Dess. 7741), dessen florales Muster und leuchtende Farbigkeit einen freundlichen Kontrast zum Bleu Belge-Naturstein der Säulen, Böden und Treppen bildet.

CABARET FLEDERMAUS – TREFFPUNKT DER WIENER KUNSTSZENE

1907 initiierte Fritz Waerndorfer, Mitbegründer der Wiener Werkstätte, in der Kärntnerstraße 33, Ecke Johannesgasse 1, den Bau des 440 m2 großen Cabaret Fledermaus – ein Ort an dem sich die Protagonist*innen der Wiener Kunstszene die Klinke in die Hand gaben und wo alle theatralen, literarischen und künstlerischen Neuerungen der brodelnden Moderne propagiert wurden. Dem Gedanken des Gesamtkunstwerkes folgend, oblag die Innenausstattung Josef Hoffmann in Zusammenarbeit mit weiteren namhaften Künstlern wie Oskar Kokoschka, Carl Otto Czeschka oder Eduard Wimmer-Wisgrill. Neben den architektonischen Ausformungen und Möbeln wurde jedes kleinste Element des Kellerlokals – Programmhefte, Bühnenkostüme, Werbematerialien oder Essbesteck – künstlerisch gestaltet und von der Wiener Werkstätte produziert.

Das Herzstück des Cabarets bildete der Hauptraum mit Bühne, dessen Boden nicht wie der Barraum mit schwarz-weißen Fliesen, sondern mit einem quadratisch gemusterten blauen Veloursteppich belegt wurde. Der Entwurf Dess. 6412 stammte von Hoffmann, der auch einen passenden Vorhangstoff (Dess. 6314) für die Bühne kreierte, der jedoch keine Verwendung fand. Für das wechselnde Bühnenspiel wurden noch weitere Vorhangstoffe angefertigt, etwa das Design „Efeu“ (Dess. 6217), das den Zuschauer*innen ein Freiluft-Ambiente suggerieren sollte, oder der Stoffentwurf „Gitterkörbchen mit Rosen“ (Dess. 5054), der bereits 1904 bei Backhausen in Produktion ging.

DIE VILLA KNIPS ALS ARCHITEKTONISCHES PORTRÄT

Mit der Gartenvilla in der Nusswaldgasse 22 im 19. Wiener Bezirk erfüllte sich die Industriellengattin und leidenschaftliche Mäzenin der Wiener Werkstätte, Sophie Amalia Maria (genannt Sonja) Knips, geborene Freifrau Portier des Chelles, einen lang ersehnten Traum. Josef Hoffmann errichtete 1924/25 anstelle eines ehemaligen Biedermeierhauses, das zuvor bis 1913 von Berta Zuckerkandl bewohnt worden war, ein Haus als architektonisches Porträt seiner Bewohnerin. Herzstück der Räumlichkeiten ist der offene Speisesaal, der bereits von der Halle aus einsehbar ist und ein Porträt von Knips von Gustav Klimt (1897/98) offenbart. Die Wirkung des Bildnisses wird durch die gewagte, ausdrucksstarke Musterung der Sesselbezüge und des Teppichs noch gesteigert. Farblich perfekt abgestimmt, nimmt Dagobert Peches Sesselstoffentwurf Dess. 10213 („Viola“) mit seinem floralen Muster in Rosa Ombré das zarte Kolorit des rosa Kleides der Porträtierten auf. Die vibrierende Ornamentik des Veloursteppichs Dess. 10026-1 („Salerno“) von Julius Zimpel, gewebt 1925, führt dies fort, bringt den Raum in Schwingung und steigert das Kunsterlebnis, das in der Begegnung mit der Porträtierten gipfelt. Hoffmann bettete Klimts Porträt der Sonja Knips in eine märchenhafte, ornamentale Struktur entrückter Weltvergessenheit ein. Nicht von ungefähr wurde die Villa Knips zu einem Treffpunkt der einstigen Vertreter*innen der künstlerischen Avantgarde. Den Knüpfteppich (Dess. 9602) mit seinen spärlich gestreuten rosa Blütenmotiven, den Hoffmann 1915 für den Salon der Stadtwohnung entworfen hatte, verwendete Knips erneut in ihrem kleinen Salon in der Villa.

 

TICKETS

  • Die Firma Backhausen zeichnete nicht nur für die textile Ausstattung von Prestigebauten oder der Wiener Moderne verantwortlich, sondern fertigte auch diverse Textilien für Kaffees an, wie diesen Entwurf für das Café Sperl im 6. Wiener Bezirk.
  • My Ullmann wurde zur Pionierin des Kinetismus, in dem das Dargestellte in Bewegungsabfolgen bzw. in rhythmische Elemente zerlegt wird. Sie arbeitete zunächst als Kunstgewerblerin, allein zwischen 1927 und 1929 entstanden neunzehn Textilentwürfe für die Firma Backhausen. Später war sie auch als Werbegrafikerin tätig, u.a. in Berlin, Münster, Zürich und zuletzt in Konstanz. Sie schuf Bühnen- und Kostümbilder, künstlerische Raum- und Wandgestaltungen in ihrem eigenen my studio oder realisierte Kunst am Bau-Projekte.

Sofern das Objekt keine Signatur, kein Monogramm oder keinen Stempel aufweist, wurde nach dem Namen des*der Künstlers*in der Terminus Entwurf ergänzt. Rückschlüsse auf die Urheberschaft eines Entwurfes können durch die Dessin-Bücher gezogen werden.


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