Das Leopold Museum zeigt mit The Body Electric: Erwin Osen – Egon Schiele eine Ausstellung, die auf einer Gruppe kürzlich entdeckter Zeichnungen von Erwin Osen (1891–1970) aufbaut. Diese entstanden im Auftrag von Stefan Jellinek (1871–1968), einem bis 1939 in Wien tätigen Mediziner, der seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt auf die Dokumentation und Erforschung der Gefahren aber auch der medizinischen Anwendungsmöglichkeiten von Elektrizität legte. Während des Ersten Weltkriegs leitete er das Neurologiezentrum im II. Garnisonsspital am Rennweg, wo er u.a. elektrotherapeutische Maßnahmen zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen an Soldaten einsetzte. Osen war im Frühjahr 1915 selbst Patient dieser medizinischen Einrichtung, die Zeichnungen entstanden teils während seiner stationären Aufenthalte. Die bisher unbekannten Blätter des Künstlers, der Mitunterzeichner des Neukunstmanifests, Weggefährte und Modell von Egon Schiele (1890–1918) war, erweitern und bereichern unser Verständnis der Wiener Moderne und ihrer Kunstpraxis – einer Kunstpraxis, die eng mit der Kultur der klinischen Medizin verwoben war.
Osens Zeichnungen aus dem Garnisonsspital werden in der Ausstellung seinen bereits zwei Jahre zuvor in der psychiatrischen Klinik Am Steinhof entstandenen Patientenporträts, sowie jenen Darstellungen von Schwangeren und Neugeborenen gegenüber gestellt, die Egon Schiele 1910 in der II. Frauenklinik anfertigen konnte. Die Entstehung im medizinischen Kontext ist all diesen Bildern eingeschrieben, die von ihnen aufgeworfenen Fragen zum Hintergrund ihrer Entstehung, zu Blickregime und Objektifizierung bleiben jedoch nicht auf sie beschränkt. The Body Electric zeigt mit dieser Perspektivierung, dass im Kontext einer „klinischen Moderne“ vermeintlich Altbekanntes für einen gänzlich neuen Zugang erschlossen werden kann.
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